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28.01.2005 - Chronik / International | ||
Ungarn: 20 Jahre länger AKW | ||
VON MICHAEL LOHMEYER | ||
Das AKW Paks südlich von Budapest will die Betriebszeit der vier Reaktoren um 20 Jahre verlängern. | ||
WIEN/BUDAPEST. Der Schreck, der nicht nur den Österreichern, sondern auch den Ungarn in die Glieder gefahren war, ist vergessen: Die Betreiber des ungarischen Atomkraftwerks Paks südlich von Budapest, weniger als 300 Kilometer von Wien entfernt, haben um die Verlängerung der Betriebszeit des AKW angesucht - keine zwei Jahre nach einem schweren Unfall. "2008 ist die Deadline dafür, ob wir zustimmen oder nicht",
sagt Ván Lux, stellvertretender Generaldirektor der ungarischen Atomaufsichtsbehörde
im Interview mit der "Presse". "Die tatsächliche Entscheidung muss freilich
viel früher fallen." Eingeleitet sei bereits die Umweltverträglichkeitsprüfung
- eine der wesentlichen Hürden auf dem Weg zur Genehmigung. Es geht um 20
Jahre mehr. Ausgelegt wurden die Reaktoren bei Baubeginn 1973 auf 30 Jahre
Betrieb. Lux meint weiter: "Nach unserem derzeitigen Wissensstand
gibt es kein Hindernis für die Verlängerung der Betriebszeit." Eine Sprecherin
des AKW Paks berichtet, dass "eine Delegation ungarischer Parlamentarier
des Finanzausschusses Paks besucht und sich mit großer Mehrheit für den Weiterbetrieb
ausgesprochen hat." Die Zeit drängt für die Atombefürworter: Damit die Genehmigung
glatt über die Bühne geht, müssen die Reaktoren jedenfalls generalüberholt
werden. Vor nicht einmal zwei Jahren ist Paks aus anderem Grund in die Schlagzeilen gelangt: mit einem außergewöhnlichen Unfall. Und erst in der Vorwoche hat es im AKW Paks gebrannt. Miroslav Lipar, früher Chef der slowakischen Atomaufsichtsbehörde und jetzt Abteilungschef für die AKW-Betriebssicherheit in der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), über den Unfall 2003: "Dass Brennstäbe beschädigt worden sind, hat es überhaupt erst dreimal gegeben. Verglichen mit dem, was aus Temelín gemeldet wird, war das in Paks so groß." Beim "so groß" streckt Lipar seine rechte Hand, mit der er die Bedeutung des Unfalls in Paks illustriert, nach oben aus - und die linke Hand (für Temelín) nach unten. "Wir nehmen das sehr, sehr, sehr ernst", sagt auch Ken E. Brokman, Chef der IAEA-Abteilung für die Sicherheit von Nuklearanlagen. Der 60-Seiten-Bericht der in Wien ansässigen Atombehörde
listet Schlamperei um Schlamperei auf: Als im Reinigungsbecken ausgetauschte
Brennstäbe undicht wurden, überhitzte das Wasser aufgrund der Uran-Restwärme
völlig unbeobachtet, obwohl Blasen aufstiegen. Die IAEA hat Mängel in Ausbildung
des Personals, Kontrolle durch Aufsichtsbehörde und bei Ausstattung des Beckens
für Brennstäbe ausgemacht - und "poor housekeeping" in Reaktor 1 und 2. Der Unfall hatte die Umweltorganisation Greenpeace veranlasst,
bei der Umweltmeteorologie des Boku-Instituts für Meteorologie und Geophysik
eine Studie über Folgen eines AKW-Unfalls für Österreich in Auftrag zu geben
(siehe Grafik oben). Autorin Petra Seibert: "Wir gingen davon aus, dass 15 Prozent
des Caesiums 137 im AKW in die Atmosphäre gelangen." Bei der Explosion in
Tschernobyl 1986 waren es 50 Prozent. Ein Sprecher von Umweltminister Josef Pröll zur Betriebszeit-Verlängerung:
"Wir werden Österreichs Interessen einbringen. Und klar machen, dass es Alternativen
zum Atomstrom gibt." |
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